Wenn man sich eine zeitlang in Washington aufhält und regelmäßig die Infomails der Bildungsinsitute durchliest, bekommt man mit der Zeit ein schlechtes Gewissen. Es gibt so viele interessante Veranstaltungen in der Stadt, dass man sie gar nicht alle besuchen kann.
Jetzt hat es allerdings mal terminlich geklappt und Jochen war bei einer englischsprachigen Diskussion des Goethe-Institus mit dem ehemaligen Chefredakteur des Spiegels Stefan Aust und dem „Director of the Center on United States and Europe at the Brookings Institution“ Daniel Benjamin. Thema war natürlich der Terrorismus in den 70er Jahren und heute.
Vor etwa 50 Leute entwickelte sich eine interessante Diskussion zwischen den beiden Männern. Für Aust gibt es ganz klar Parallelen zwischen dem politischen Terrorismus der RAF und dem religiösen Terrorismus Al Qaidas. Beide Strömungen verfolgten politische Utopien und würden bewusst menschliche Opfer in Kauf nehmen. Den Einwand Benjamins, dass die RAF ja weitaus weniger Menschen umgebracht hätte, ließ Aust nicht stehen. Bei den Gewalttaten der RAF sei eindeutig eine Entwicklung zu sehen. Während sich am Anfang die Gewalt nur gegen Sachen und Gebäude richtete, schreckte man am Ende auch nicht vor einem möglichen Massenmord (Landshut) zurück.
Aust betonte, es gäbe große Ähnlichkeiten zwischen Statements von Sawahiri und den Schreiben der RAF. Wenn man Allah herausstreichen würde, bliebe eine sozialrevolutionäre Erklärung im Stile der RAF übrig. In gewisser Weise religiös war der Terror der RAF auch, weil sie an eine Sache glaubten, die größer war als sie selbst. Im Glauben an die Revolution nahmen sich Baader und Co in Stammheim das Leben.
Die Faszination für das Thema RAF übt für Benjamin nicht ihre terroristischen Attentate aus, sondern wie die deutsche Gesellschaft auf dieses Phänomen reagiert hat.
Für Aust hat Terrorismus vor allem mit Kommunikation zu tun. Der 11. September hätte dies deutlich gemacht. Die Terroristen warteten bis das erste Flugzeug in den Tower flog und ließen das zweite erst in das Gebäude fliegen, als CNN schon längst zugeschaltet war.
Auch die RAF benutzte die Anschläge als Botschaft an die eigene Bevölkerung. Sie wollten die Welt erschrecken und die eigene deutsche Bevölkerung beeindrucken.
Am Ende konnte Jochen noch die Frage stellen, ob Aust denn einen Zusammenhang sähe zwischen dem protestantischen Hintergrund vieler Terroristen (Ensslin war Pfarrerstochter aus Schwaben!) und ihrer Entscheidung für die Anwendung von Gewalt. „Das strenge Gewissen“ war seine Antwort.
Die ganze Veranstaltung wurde von NPR aufgezeichnet (dem öffentlichen Sender der USA, der Deutschlandfund und SWR2 Kultur weit hinter sich lässt) und kann im Internet nachgehört werden.
Freitag, 21. November 2008
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